• Elvis und das Herz aus Holz

  • Apr 11 2020
  • Duração: 4 minutos
  • Podcast

Elvis und das Herz aus Holz

  • Sumário

  • Sie musste ihre Heimat verlassen, als sie gerade elf Jahre alt war. Ihre Mutter habe ihr und den Geschwistern immer wieder Mut gemacht auf der Reise in die neue, ungewisse Zukunft. In jedem Abschied und in jedem Schmerz, habe sie gesagt, stecke auch Gutes und Schönes und immer ordentlich Platz für Neues. Ein Schlaganfall in Folge ihrer letzten Chemotherapie schränkt nun unsere verbale Kommunikation ein, jedoch nicht das Teilen von Emotionen. Ihre Tochter übernimmt den sprachlichen Part, bekräftigt die Lebenseinstellung, die die Großmutter ihrer Mutter, dem Kind von damals, mitgegeben hat, und erzählt ihrerseits schwingungsfähig von Erinnerungen an besondere Momente. Von den Elvis-Schallplatten, die in ebenso besonderen Momenten hervorgekramt und aufgelegt wurden – vornehmlich dann, wenn „Alleine-Zeit" und Entspannung für die Mutter und mit der Mutter auf dem Programm standen. Sie lacht. „... cause I don ́t have a wooden heart" singe ich auf Wunsch der beiden. Ein hölzernes Herz oder ein Herz aus Stein wie wir sagen würden, haben beide wahrlich nicht. Sie lacht angesichts der Erinnerungen aus vollem Hals, die Tochter weint, angerührt und ausgelöst durch die Musik. In jedem Schmerz steckt auch Gutes und Schönes und immer ordentlich Platz für Neues. Und das Gefäß der Musik hat ordentlich Platz für Tränen und Lachen gleichzeitig. In einem Bildband über Schlesien entdecke ich Fotos ihrer Heimatstadt, die zeigen, wie es dort heute aussieht. Zu dritt knäulen wir uns auf die rechte Seite ihres Hospiz-Bettes und schmökern. Sie weint. Gefühle wollen gefühlt sein. Die Tochter hat den Elvis-Songtext zu „Wooden Heart" im Gepäck, um heute mitsingen zu können, wie sie sagt. Was für ein herrlich englisch-deutsches Kuddelmuddel, was für eine schräge Übersetzung in der Elvis-Version zum Volkslied „Muss i denn zum Städtele hinaus“. Wie stimmig gerade dieser Song ist, fällt mir jetzt in aller Deutlichkeit beim Schreiben auf – sie, die als Kind aus dem schlesischen Städtele hinaus musste, und sie heute, deren Abschied aus dem Leben nun bevorsteht. Aus dem Weinen heraus lachen wir uns schlapp. Mir fällt der Humor von Elvis ein, der Moment, in dem er den vertrauten Text seines Songs „Are you lonesome tonight" abwandelt und Band und Background- Sängerin dies nicht bemerken. Mit Elvis kommen wir aus dem Lachen nicht mehr heraus. Und dann singt sie, die Tochter. Für ihre Mutter. Ganz allein. Spinnt ein inniges Band über die Musik, während ich mich in den Background zurückziehe, ein paar stützende Akkorde mit der Gitarre gebend. Zum Weinen schön. Und mein nicht hölzernes Musiktherapie-Herz lacht. Besser geht’s nicht. Musik erfüllt psychosoziale Grundbedürfnisse. Sie schafft und erhält Identität. Der Einsatz von biografisch bedeutsamer Musik in der Begegnung mit Zugehörigen vermag Beziehungsräume zu öffnen und Begegnungen zu begünstigen, die im Alltag sonst in dieser Form und auf dieser Ebene nicht möglich scheinen. Hemmschwellen – wie bspw. sich mit in das Hospiz- oder Krankenhausbett zu legen und intensive Nähe zu ermöglichen und zuzulassen – können abgebaut werden. Gemeinsames Singen mit den Zugehörigen und der Einsatz von Musik durch Zugehörige kann eine andere Qualität der Begegnung auslösen und vielleicht auch Herzen erweichen. In jedem Schmerz steckt auch Gutes und Schönes und immer ordentlich Platz für Neues. ’Cause I don’t have a wooden heart. Musik: "Cutting Teeth", Ben Noble
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